Festival Camping mit über 30 – Keine Angst! 

„Warum tust du dir das an?“ „Ich muss mich schon vom Zuschauen hinlegen.“ „Echt? In einem Zelt?“ „Es schaut alles einfach so nach Horror aus.“ So haben meine Freund:innen reagiert, die auf Instagram sahen, dass ich zum ersten Mal seit über 15 Jahren einen 4-Tages-Pass für ein Festival gekauft habe und einen treuen Komplizen in die Sache mit reingesudert habe. „Alle sind Spießer, niemand fährt mit mir aufs Nova Rock ins Burgenland, keiner will mehr am Boden schlafen, mimimi“, habe ich gesagt und beklagt, dass mir der Geruch von schalem Bier fehlt und der Bass und dass außerdem eine Lieblingsband von mir spielt, die kaum je nach Österreich kommt … Und er sagte: „Dann fahrst halt mit mir.“ Gesagt, getan. Aber äh… wie geht sowas nochmal?

Wie funktionieren Festivals in Österreich überhaupt 2023 und was braucht man da alles (nicht mehr) mit? Wenn man das googelt, findet man weniger Praktisches als Philosophisches zum Thema Festival Camping mit 30+.

Einige ungebetene Ratschläge

1. Wenig Alkoholkonsum auf Festivals ist gottverdammte Magie! In meiner Prä-Camping-Nervorsität hatte ich total vergessen, dass ich nicht nur nicht mehr 20 bin, sondern auch nicht mehr trinke wie mit 20. Wenn du dir nicht zehn Bier am Tag reinstellst wie die Teens und Twens hast du im Vergleich zu ihnen auf diesem Festival quasi Superkräfte und alles ist machbar.

Ohne Kater kommt man leichter durch lange Sonnentage, hat nicht ständig Durst, muss daher nicht andauernd aufs Klo. Du kannst früher aufstehen als die Kids und duschen gehen, bevor sich lange Schlangen bilden und das warme Wasser knapp wird. Danach kannst du dich immer noch wieder hinlegen. Der Zeltinnenraum ist auch drinnen weniger dreckig, wenn man nüchtern genug ist, sich die Schuhe draußen auszuziehen und das Zelt ordentlich zu schließen. Der Zeltabbau am letzten Tag ist nüchtern in 15 Minuten geschafft, weil es hilft, wenn einem beim Bücken nicht schlecht wird. Nutze deinen Vorteil! 

2. Geh aufs Klo, wenn du kannst, nicht wenn du musst – Die meisten Männer pissen auf Festivals dort, wo sie gerade stehen. Frauen können das nicht so einfach machen und müssen beim Flüssigkeitshaushalt ein bisschen mitdenken. Geh einfach immer aufs Klo, wenn dort gerade keine Schlange ist, egal ob du musst oder nicht. Du weißt nicht, wann die Gelegenheit wiederkommt. Das gilt übrigens nicht nur für Festivals. 

3. Komplizen sind wichtig – Such deinen Zeltgenossen gut aus. Ideal ist, wenn er ähnlich viel Schlaf braucht wie du, dann weckt ihr euch nicht so oft gegenseitig auf. Rede mit Leuten, schau dich am Zeltplatz um, mach ein paar doofe Spiele mit. Man ist so selten an einem Ort, an dem so viele unterschiedliche Leute gemeinsam Zeit verbringen. Pass auf dich, deine Zeltgenossen, aber auch alle anderen, die du noch gar nicht kennst, ein bisschen auf. Ist gut fürs Karma.

4. Location, Location, Location – Du willst einen Zeltplatz eher oben als unten am Hügel (weniger Überschwemmung bei Regen), nicht direkt am Hauptweg (Lärm, Gatsch, Betrunkene mit unsicherer Spurhaltung), in der Nähe von, aber nicht direkt neben Dusche und Klo (Geruch, Überschwemmung). Je leiser du es zum Schlafen brauchst, desto weiter hinten am Zeltplatz wirst du dich wohlfühlen. Von dort sind die Fußwege zur Bühne aber lang. Schau dir die Leute bei den Nachbarszelten an. Sind sie sehr viele, sehr jung haben SEHR viel Bier mit und hören laut Scooter? Schlag dein Zelt woanders auf!

5. Duschen – Das Ziel ist, nicht gatschiger vom Duschen zurückzukommen, als man aufgebrochen ist. Dabei helfen Flip Flops für in der Dusche (siehe Packliste) und weite Shorts oder ein Rock, die man nach dem Duschen anzieht. Denn wenn deine Füße dennoch in der Dusche gatschig geworden sind, willst du Beinbekleidung, in die man leicht hineinsteigen kann, ohne sie innen dreckig zu machen. Je nach Duscharchitektur ist vielleicht aller Boden nass und du musst dir auf einem Bein stehend den Fuß abtrocknen. Das geht leichter mit ein bisschen Vorausdenken bei der Kleidung. 

6. Mach Pausen und lieg rum – Niemand schafft 100 Bands in 4 Tagen. Identifiziere die größte Zeit-Lücke zwischen Bands, die du dringend sehen willst und nutze sie, um dich im Zeltlager kurz hinzulegen, Schuhe zu wechseln, Wasser zu trinken, etc. Mit ein paar Pausen können auch alte Säcke wie wir noch bis nach Mitternacht stehen und springen. Die Lieblingsband macht nämlich deutlich weniger Spaß, wenn einem Rücken und Füße vom zu langen Stehen wehtun. 

7. Bargeld – Heutzutage braucht man auf vielen Festivals kein Bargeld mehr, bzw. kann gar nicht in bar zahlen. Stattdessen lädt man etwa vom Bankkonto Geld auf einen Chip und bezahlt mit diesem. Andere Systeme funktionieren übers Smartphone. Informiere dich, wie bezahlt werden kann und ob man darüber hinaus für irgendetwas ein wenig Bargeld braucht. Am Nova Rock 2023 etwa musste man am Eingang 15 Euro Müllpfand in bar entrichten, damit man zu seinem Festivalband mit Chip kam. Das wusste allerdings kaum jemand. 

8. Handy laden – Wisse, wie lange dein Akku normalerweise hält und dass er schneller leer wird, wenn du von den superen Konzerten viele Videos und Fotos machst. Vielleicht brauchst du dein Handy zum Bezahlen auf dem Festival oder um die Festival-App zu nutzen. Check, ob es auf dem Festival die Möglichkeit gibt, sich gegen Kaution + Gebühr Powerbanks auszuleihen und time-e ein bisschen, wann du diese austauscht. Wenn du selbst volle Powerbanks oder eine Lademöglichkeit mithast, kommt dir das billiger. 

9. Iss nicht im Zelt – Brösel —> Ameisen.

10. Nimm alles wieder mit nach Hause – Viele Leute lassen ihren ganzen Müll und noch einen Teil ihrer Campingmöbel bei der Abreise einfach am Zeltplatz zurück. Sei nicht wie diese Wappler! 

Packliste

Basic Packlisten für Festivals gibt es im Internet überall. Hier ein paar Essentials und auch einige Ergänzungen, die ich nirgends gefunden habe, aber die eine gute Idee sind:

Selbstaufblasende Schlafmatte – Macht weniger Lärm als eine Luftmatratze, wenn man sich in der Nacht umdreht, du brauchst keine Pumpe, sie schützt vor Bodenkälte und schont deinen Rücken.

Wasserdichter Umhänge-Beutel – Auf vielen Festivals darf man keine Rucksäcke mit in den Bühnenbereich nehmen. Ein Beutel, den man mit zwei Trägern auf dem Rücken tragen kann, ist praktisch und groß genug, um einen Pullover einzupacken, falls das Wetter sich dreht. Praktisch ist natürlich, wenn er auch noch wasserdicht ist. 

Faltbare Trinkflasche – Man darf auch keine Flaschen mit in den Bühnenbereich nehmen, Genug Wasser zu trinken ist aber wichtig. Daher sind faltbare Trinkflaschen eine gute Idee. 

Gummistiefel – Ja, du brauchst Gummistiefel. Wenn du Pech hast, regnet es das ganze Festival hindurch. Nimm nicht die billigsten, sondern welche mit einem halbwegs guten Fußbett, sodass du lange drin stehen und gehen kannst. Knöchelhohe sind zu niedrig, kniehohe sind manchmal zu warm, am besten irgendwas dazwischen. Ich schwöre auf Vikings. 

Polster – Man kann auch ohne Polster auf dem Boden schlafen. Aber, wenn man möglichst gut schlafen will, das Genick schonen und nicht direkt mit dem Gesicht auf der Matte schlafen will, zahlt sich ein kleiner Polster aus. 

Mehrere Stoffsackerln/-beutel – In den meisten Zelten herrscht in Kürze Chaos. Kleidung in sauber, dreckig, nass und Moment, das gehört gar nicht mir! Ein Zelt hat keine Regale, also pack die dreckige Wäsche in einen Sack, die saubere in einen anderen, die Ladegeräte, Spielkarten, Messer, Klebebänder in einen anderen. Dein schlafender Zeltgenosse wird es dir danken, wenn du keine Plastik- oder Papiersackerln dafür verwendest, die rascheln.

Ohropax – Egal, wo dein Zelt steht, neben dir schlägt vielleicht eine Gruppe 20-jähriger ihr Lager auf, die hauptsächlich zum Saufen dort sind und die ganze Nacht grölen. Steck dir was in die Ohren, das ist deine einzige Chance. Man kann natürlich auch versuchen, mit ihnen zu verhandeln, aber da ist der Ausgang ungewisser. 

Müllsäcke – Menge nach folgender Formel berechnen: 1 Rolle reicht für 2 Personen für 4 Tage, vorausgesetzt, man verwendet sie nicht auch als Regenschutz, in diesem Fall braucht man eventuell mehr. 

Gaffa/Panzerband – Gaffa hält die Welt zusammen. Ohne superstarkes Klebeband gäbe es keine Festivals. Du brauchst es für alles: Reparatur, Dekoration, basteln, spielen etc. Kabelbinder sind auch nie verkehrt. Das wusstest du früher alles schon einmal. Ich schreibs nur noch einmal hier hin, damit du es auch ganz sicher nicht vergisst.

Feuchttücher – Am besten biologisch abbaubare und unparfümierte Feuchttücher im Drogeriemarkt kaufen. Für die schnelle Hand- und Gesichtswäsche etc. Hilft dabei, sich fresher zu fühlen, als man ist. 

Flip Flops – Der Boden in Festivalduschen ist nie ganz sauber. Damit du mit sauberen Füßen in die Socken und Schuhe steigst, nimm Flip Flops mit. Sie haben praktisch kein Gewicht. 

Licht – Es gibt superbillige LED-Lampen mit Haken und Magnet, die man im Unterschied zu einer Taschenlampe nicht halten muss, während man im Rucksack kramt. Zahlt sich aus. 

Campingsessel – Gibts für 20 EUR pro Stück, sind leicht und lassen sich schmal zusammenklappen und in einer Hülle mit Tragegurt leicht tragen. Ich war erst zögerlich, aber es ist schon praktisch, nicht am Boden sitzen zu müssen, vor allem, wenn es geregnet hat. Muss man nicht notwendigerweise neu kaufen. Oft kann man sich welche von Freunden ausborgen oder gebraucht welche erwerben. 

Reisbürste – Es ist einfacher, einigen Gatsch schon am Festivalgelände vom Zelt und Schuhen abzubürsten, als das alles in der Badewanne zu machen. 

Wir haben übrigens – entgegen der Behauptungen meiner Freunde – sehr viele Festivalgäste getroffen, die noch wesentlich älter waren als wir und auch eine supergute Zeit hatten. Das Alter spielt offenbar nicht so eine Rolle wie die Vorbereitung, die Motivation und dass man die Musik genießt. Danke, liebster Komplize, dass du das mit mir durchgezogen hast und mir trotz wadenhohem Gatsch am Zeltplatz nicht die Freundschaft gekündigt hast. <3 

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